Gute Arbeit in Wissenschaft und Forschung!

Teilzeit und Befristung sind inzwischen zur Regel bei der Beschäftigung in Wissenschaft und Hochschulen geworden. Diese Erkenntnis brachten heute Sachverständige im Ausschuss für Bildung und Forschung den Abgeordneten noch einmal eindringlich vor Augen. Anlass des von der Fraktion mit initiierten Fachgesprächs war die Evaluierung des so genannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft wurde bereits unter Rot-Grün eingeführt und dann 2007 von der Großen Koalition in einem eigenen Gesetz geregelt. Es ermöglicht eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen innerhalb von 12 Jahren und auch über diese Frist hinaus, wenn es sich um drittmittelfinanzierte Forschung handelt. Einmalig ist zudem die so genannte Tarifsperre. Das heißt, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber nichts Abweichendes regeln dürfen.

Dieses Gesetz hat die Fraktion DIE LINKE schon damals für falsch gehalten und abgelehnt. Die Fraktion begründete die Ablehnung damit, dass solch ein Gesetz Mindeststandards für gute Arbeit in der Wissenschaft definieren müsste, anstatt für Befristungen jegliche Grenzen zu schleifen. Heute hat der Sachverständige Dr. Andreas Keller, Vorstandsmitglied der GEW, noch einmal klar gestellt, warum die Position damals richtig war. Die Ausweitung der befristeten Beschäftigung in der Wissenschaft hat sich seit der Einführung des Gesetzes noch einmal beschleunigt. Kamen 2005 bereits fünf befristete Beschäftigte auf einen unbefristeten, so sind es heute bereits acht. Mehr als die Hälfte der Arbeitsverträge in der Wissenschaft haben eine Laufzeit von unter einem Jahr.

Die Rektorin der Universität Münster bestätigte, dass dazu häufig vom Instrument des Stellensplittings Gebrauch gemacht werde. So teilten sich bis zu vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Stelle, häufig werde aber Vollzeittätigkeit von ihnen erwartet. Trotz dieser eindeutigen Befunde wurde von Abgeordneten der Regierungsfraktionen geäußert, es handele sich dabei nicht um prekäre Beschäftigung, sondern um Top-Bedingungen. Befristungen seien eben notwendig „zur personellen Erneuerung der Wissenschaft.“

Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Fraktion, hielt entgegen: „Uns eint, dass wir hier alle an hoher Qualität der Forschung und Lehre, an guter Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses interessiert sind und auch wissen, dass es Befristungen zu diesem Zweck im Wissenschaftsbereich geben darf. Mir ist jedoch unbegreiflich, wie man die Zustände der Ausbeutung junger, hochqualifizierter Menschen als notwendig für das System verteidigen kann. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die alle sechs Monate um einen neuen Vertrag kämpfen, denen wird eine hochqualitative Forschung und eine gute Lehre unmöglich gemacht.“

Sitte sah sich von den Sachverständigen der Gewerkschaften und der Betriebsräte, aber auch von der Hochschulforscherin Dr. Anke Burkhardt, bestätigt. Sie unterstützten die Anträge der Fraktion DIE LINKE, die eine Mindestvertragslaufzeit im Gesetz verankern und die Tarifsperre aufheben wollen. Sitte dazu: „Es ist uns bewusst, dass viele Faktoren für die ausufernde Befristungspraxis verantwortlich sind. Dazu gehört an vorderster Stelle die Absenkung der Grundfinanzierung der Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, aber auch fehlende Personalentwicklungskonzepte der wissenschaftlichen Einrichtungen. Gerade deshalb muss der Gesetzgeber Mindeststandards verankern, die der Ausweitung prekärer Beschäftigung klare Grenzen setzen.“

"Ungewisse Zukunft"  (Das Parlament, 05.12.2011)