Nicht die Major Labels, sondern die Rechte der Kreativen sollen gestärkt werden

TOP 22)   Achtes Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Verlängerung der Dauer für Musik-leistungsschutzrechte)  <Drucksache 17/12013>

 – Rede zu Protokoll –

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bekomme immer einen Schweißausbruch, wenn ich auf der Tagesordnung dieses Hauses das Wort „Urheberrecht“ entdecke, weil ich dann weiß: Jetzt kommt wieder ein Versuch, die Rechte der Medienindustrie zu stärken. Entweder zu Lasten der Urheberinnen und Urheber oder zu Lasten der Rezipientinnen und Rezipienten. So auch diesmal. Sie wollen die Fristen der Leistungsschutzrechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern verlängern. Ausübende Künstler, also die Interpreten der Lieder, sollen nicht hinnehmen müssen, dass noch zu ihren Lebzeiten ihre Aufnahmen gemeinfrei werden, sodass sie nichts mehr daran verdienen. So argumentieren die Befürworter dieses Gesetzentwurfs.

Sie kennen wahrscheinlich den Song „Twist and Shout“, der durch die Beatles bekannt wurde. Dieser Song wurde ursprünglich von Phil Medley und Bert Russell für die Gruppe Top Notes geschrieben, also nicht von John Lennon und Paul McCartney. Die Beatles besitzen an diesem Song keine Urheberrechte, aber sie sind damit reich geworden. Warum? Nun, weil sie den Song nachgespielt haben und als Interpreten Leistungsschutzrechte an der Aufnahme besitzen. Ebenso wie ihre Plattenfirma, nämlich als sogenannter Tonträgerhersteller.

Die Aufnahme der Beatles wurde erstmals am 2. März 1964 in den USA veröffentlicht. Sie wäre nach dem alten Recht nur noch bis zum 31. Dezember 2015 geschützt gewesen. Jedenfalls in Europa, denn in den USA beträgt die Schutzfrist ohnehin 95 Jahre. Mit der Verlängerung der Leistungsschutzrechte von 50 auf 70 Jahre wird sie nunmehr auch in Europa bis 2035 geschützt sein.

Cui bono? Die meisten ausübenden Künstler verdienen an ihren Leistungsschutzrechten ziemlich wenig. Universal, Sony und Warner Music streichen bis zu 72% der Einnahmen aus verwandten Schutzrechten ein. Das erfolgreichste Fünftel der Künstler erhält weitere 24%. Die verbleibenden 4% kommen bei 80% der ausübenden Künstler an. Diese Zahlen können Sie einer Studie entnehmen, die unter Federführung des Centre for Intellectual Property Policy & Management an der University of Bournemouth entstanden ist.

Die Rechte an den Beatles-Songs liegen heute zum großen Teil bei Sony/ATV, einem Joint Venture von Sony mit dem Jackson Estate, der das Erbe von Michael Jackson verwaltet. Anscheinend gilt das auch für „Twist & shout“, obwohl ich Ihnen das nicht mit Sicherheit sagen kann, da ich die Verträge natürlich nicht kenne. Aber etwas anderes kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen: dass weder Sony noch die Beatles am Hungertuche nagen. Die Rechte an Beatles-Aufnahmen werden heute etwa auf das 500.000-fache der ursprünglichen Wertsumme geschätzt.

Wenn Sie Kreative schützen wollen, indem Sie das Schutzniveau immer weiter hinaufsetzen, dann sind Sie auf dem Holzweg. Schutzfristen zu verlängern oder den Schutzumfang zu erweitern, ihn auf immer kleinere Elemente auszudehnen, auf einzelne Wörter oder Soundschnipsel – all das bringt nichts außer gesellschaftlichen Kollateralschäden. Sorgen Sie stattdessen lieber dafür, dass von dem Geld, das mit Urheber- und Leistungsschutzrechten verdient wird, mehr dort ankommt, wo es dringend benötigt wird! Nämlich nicht bei den großen Stars und Unternehmen, sondern bei den vielen unbekannten Urhebern und Künstlern, die von ihrer Arbeit tatsächlich kaum leben können. Stärken Sie nicht die Major Labels, stärken Sie die Rechte der Kreativen im Urhebervertragsrecht.